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Lexikon    Fitness und Gesundheit    Training    Superkompensation

Superkompensation

Ein sportliches Training hat meist das Ziel, eine Leistungsverbesserung zu erreichen. Dies gelingt nur, wenn sich der menschliche Organismus anpasst, um dem neuen, höheren Leistungsniveau gerecht werden zu können. Zur Erklärung dieses Adaptationsprozesses dient das Modell der Superkompensation.

Definition

Bei der Superkompensation handelt es sich um ein stark vereinfachtes Modell, welches jedoch auch heute noch in der Sportwissenschaft als Basis für die Trainingsplanung genutzt wird. Dabei wird durch die Anpassung an sportliches Training ein Ausgangsniveau überwunden und die Leistung verbessert.

Der Anpassungsvorgang

Anfang jeglicher Veränderung ist ein gewisses Ausgangsniveau. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich der Körper im Zustand der Homöostase. Nach einem entsprechenden trainingswirksamen Reiz kommt es zu einer Störung dieses biologischen Gleichgewichts und daraus entstehend zu einer vorübergehenden Abnahme der sportlichen Leistungsfähigkeit. In der Phase der Erholung hat der Körper Zeit, sich zu regenerieren. Danach beginnt der eigentliche Trainingseffekt einzusetzen. Durch eine Wiederherstellung über das Ausgangsniveau hinaus kommt es zu einem erhöhten Leistungszustand. Diesen Effekt nennt man auch Superkompensation.

Wird der Organismus während des Zustands der Superkompensation – im Idealfall am höchsten Punkt – erneut einer reizwirksamen Belastung ausgesetzt, kommt es zu einer Verstärkung der Superkompensationswirkung. Diese Anpassung im Organismus führt zu einer Zunahme des energetischen Leistungszustands und somit auch zu einer verbesserten sportlichen Leistungsfähigkeit.

Das Modell der Superkompensation

Das Modell der Superkompensation beinhaltet allerdings auch, dass nach dem Erreichen des vergrößerten Reservoirs eine Rückkehr zum Ausgangsniveau folgt. Das heißt, wenn nach dem anfänglichen Belastungsreiz keine weiteren Trainingsbelastungen folgen, wird sich der Organismus nicht auf ein erhöhtes Leistungsniveau anpassen, sondern wieder beim Ausgangsniveau einpendeln. Dies ist oft beim Schulsport der Fall, denn hierbei ist die Pause zwischen den einzelnen Belastungen zu lang (meist 1 Woche).

Für die Trainingsplanung bedeutet das, dass die Trainingsreize im optimalen Abstand zu setzen sind, nämlich genau während der Phase der Superkompensation. Nicht selten geschieht es dabei, dass die Trainingsreize zu früh gesetzt werden und sich somit ein Zustand von angehäufter Ermüdung einstellt. Wenn dem Organismus keine Zeit für die Regeneration gelassen wird und die Trainingsreize schon während der Phase der unvollständigen Erholung gesetzt werden, kann es zum Übertraining kommen.

Superkompensation, Leistungsniveau und Anpassungsreserve

Wenn man nun alleinig das Modell der Superkompensation betrachtet, entsteht der Eindruck, dass Adaptationen unendlich in gleichem Maße erfolgen. Dies ist jedoch nicht richtig. Das Ausmaß der Anpassung bzw. der Superkompensation hängt unter anderem vom Trainingsniveau ab. Das heißt, bei Anfängern finden größere Anpassungseffekte auf verschiedensten Ebenen des Organismus statt. In der Praxis lässt sich dieser Effekt durch schnelle Fortschritte im ersten Trainingsjahr beobachten. Bei sehr fortgeschrittenen Athleten finden nur noch sehr kleine Anpassungen statt. Es kann bei ihnen sogar Wochen dauern, bis eine Leistungssteigerung zu verzeichnen ist. Hier ist es besonders wichtig, den idealen Zeitpunkt zur Setzung eines neuen Trainingsreizes zu treffen. Dies liegt unter anderem daran, dass jeder Mensch ein individuell realisierbares Maximum hat. Je länger man trainiert, desto näher kommt man seinem genetischen Maximum. Die Differenz zwischen Ausgangsniveau und genetischem Maximum wird dabei Anpassungsreserve genannt.

Anpassungsgeschwindigkeit der Organsysteme und Intensität

Jeder Teil des Organismus passt sich unterschiedlich schnell an Reize an. Dies liegt an den Differenzen in der Regenerationszeit. So regeneriert sich beispielsweise das Nervensystem sehr schnell und Knorpelgewebe extrem langsam. Für die Betrachtung der Leistungssteigerung bei Gesunden sind jedoch vor allem das Herz-Kreislauf-System und die Muskulatur relevant. Das Herz-Kreislauf-System, welches primär durch Ausdauertraining gefordert wird, braucht ca. 12 bis 48 Stunden zur Regeneration. Die Regeneration ist dabei von der Intensität und individuellen Faktoren abhängig. Die Muskulatur braucht ca. 48 bis 72 Stunden zur Regeneration, jedoch sind bei sehr stark überschwelligen Reizen auch längere Regenerationszeiten möglich. Für die Praxis lassen sich aus diesen Informationen wichtige Schlüsse ziehen. So kann bei einem ideal überschwellig gesetzten Reiz alle 2 bis 3 Tage dieselbe Muskelgruppe trainiert werden und bei moderatem Ausdauertraining sind sogar tägliche Trainingseinheiten möglich.

Kritik am Modell der Superkompensation und Praxisbezug

Der „perfekte Zeitpunkt“ für das Setzen des neuen Trainingsreizes lässt sich nicht genau bestimmen, was den Nutzen des Modells deutlich mindert. Zudem überlagern die Regenerationszeiten der jeweiligen Organsysteme sich teilweise, was zu unterschiedlichen „perfekten Zeitpunkten“ für jedes System führt. Nun stellt sich die Frage, wieso das Modell trotz seiner Schwächen in der Praxis angewandt wird. Ganz einfach – durch die Verknüpfung des Superkompensationsmodells mit anderen Parametern der Trainingsplanung entsteht ein großer Nutzen. Wenn wir zum Beispiel einen Athleten haben, der zwei Trainingseinheiten, einen moderaten Dauerlauf und ein Beintraining, am selben Tag durchführen möchte. Dann stellen sich mehrere Fragen: Ist es möglich und ist es sinnvoll, und wenn ja, wie? Dazu kann man nun die Regenerationszeiten des Superkompensationsmodells betrachten.

Bei beiden Trainings wird primär die Muskulatur der Beine beansprucht, jedoch ist diese nur beim Beintraining der limitierende Faktor. Beim Ausdauertraining gibt die Ausdauerleistungsfähigkeit das Ende der Belastung vor, welche beim klassischen Krafttraining nicht in einem trainingswirksamen Ausmaß gefordert wird. So lässt sich schließen, dass ein morgendlicher Dauerlauf ein abendliches Beintraining nicht negativ beeinflusst. Hier hat das Herz-Kreislauf-System ausreichend Pause, um einen stark unterschwelligen Reiz durch Krafttraining standzuhalten, ohne die Regeneration oder das Setzen eines trainingswirksamen Reizes auf die Muskulatur zu stören. Wenn das Training in der umgekehrten Reihenfolge durchgeführt werden würde, ergäbe sich ein Problem mit der deutlich längeren Regenerationszeit der Beinmuskulatur. Bei einem Dauerlauf nach einem intensiven Beintraining könnte es passieren, dass die noch angeschlagene Muskulatur der Belastung nicht standhält und somit zum limitierenden Faktor wird, was das Setzen eines trainingswirksamen Reizes für das Herz-Kreislauf-System sabotiert bzw. unmöglich macht.

Literatur

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Höltle, V. (2003). Grundlagen und Prinzipien des sportlichen Trainings. Abteilung Sportmedizin am Krankenhaus für Sportverletzte. Lüdenscheid-Hellersen

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